Folge 33 / Grundfähigkeitsversicherung vs. BU – Was sagt der BGH?

Shownotes

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00:00:00: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge Biometrie to go. Mein Name ist Nadine und ich bin Biometrie-

00:00:16: Spezialistin im Team der Bayerischen. Mit mir am Studio ist auch heute Panos. Hi Panos!

00:00:21: Hi Nadine, hallo zusammen! Ja Panos, eigentlich müssen wir hinzufügen willkommen zur dritten

00:00:27: Staffel. Ich freue mich, dass wir nun endlich wieder starten. Auch wenn wir bereits im Februar

00:00:32: gelandet sind, wir waren ja schon auf vielen tollen Veranstaltungen. Im Januar sind wir ein

00:00:37: Monat später, aber endlich wieder dabei. Tatsächlich und mich fasziniert, ich finde es total

00:00:44: unglaublich. Wir starten schon ins dritte Jahr unseres Podcasts. Das ist fantastisch. Ja genau und

00:00:50: vor allen Dingen ist es dann, finde ich, auch mal wieder an der Zeit ein großes Dankeschön auszusprechen,

00:00:54: an all unsere treuen Zuhörerinnen und Zuhörer und natürlich auch für alle, die neu dazu gekommen

00:01:01: sind. Herzlich willkommen! Und auch nicht vergessen, wir wollen uns auch herzlichst bedanken für die

00:01:07: vielen Themen, Fragen, Vorschläge, die ihr uns regelmäßig schickt. So, jetzt genug. Was haben

00:01:16: wir heute auf unserer Agenda Nadine? Ja, da greife ich gerade mal zu, zu dem, was du mir gesagt hast.

00:01:22: Also ja, wir haben viele Fragen bekommen und viele davon können wir auch relativ schnell

00:01:26: beantworten, aber es gibt auch Fragen, die häufiger vorkommen und die auch deutlich intensiver sind

00:01:33: von dem, was wir zurückgeben könnten. Und da möchte ich jetzt einfach mal starten und drei

00:01:38: Fragen, die wirklich, also, bitte mal, sie kamen dreimal vor, mal einfach hier reinschmeißen,

00:01:44: mal gucken, was wir daraus machen. Anja aus Sachsen fragt uns. Hallo ihr Lieben, ich war neulich

00:01:50: in einer Veranstaltung zu Gast und dort hat ein Referent erzählt, die Grundfähigkeitsversicherung

00:01:55: ist keine Arbeitskraftversicherung. Da soll nun auch der BGH entsprechende Bestätigung zugegeben

00:02:01: haben. Ist das so richtig? Ich bin auf eure Antwort gespannt. Oh, das wird eine lange Antwort,

00:02:09: Lieber Anja. Die Super Anos, dir gefallen noch solche Fragen? Das kann ich nicht abstreiten.

00:02:16: Ja, Spaß beiseite. Das ist tatsächlich eine spannende Frage. Vorab würde ich ja sagen,

00:02:24: das war kein Urteil zu Grundfähigkeitenversicherung, aber aus der Urteilsbegründung, die sich im

00:02:31: Übrigen auf, glaube ich, 33 Seiten streckt hatte, konnten man den einen oder anderen Hinweis eben zu

00:02:39: der Produktart Grundfähigkeitenabsicherung herauslesen. Möchtest du den Fall schildern?

00:02:45: Worum ging es in diesem Urteil, Panos? Wie gesagt, es ging ja nicht direkt um die

00:02:51: Grundfähigkeitenversicherung, sondern um eine andere Art der Absicherung. Man kennt ja solche

00:02:57: Verträge unter dem Namen Multirente. Also die sind ja Kombiprodukte, die in einem Vertrag die

00:03:05: Risikenumfall, Organschäden, einige Grundfähigkeiten und auch die Pflegebedürftigkeit abdecken.

00:03:12: Diese Verträge sind aber nicht nach Art der Lebensversicherung kalkuliert, sondern gehören

00:03:17: zu den Kompositspaten, oder? Ja, ganz genau. Also sie sind ja Sachverträge sozusagen. Meistens mit

00:03:25: einer Versicherung von einem bis drei Jahren werden sie abgeschlossen und sie werden immer

00:03:31: automatisch um ein weiteres Jahr verlängert, wenn der Kunde oder der Versicherer nicht frischstgerecht

00:03:37: kündigt. Okay, und wo genau war jetzt das Problem? Der Versicherer, also ich glaube den Namen kann

00:03:43: man ja schon sagen, weil der Stand ja auch explizit in der Urteilsbegründung. Es handelt sich

00:03:49: um den Versicherer AXA, also die Kollegen von der AXA. Die hatten ja in der Vergangenheit so ein

00:03:54: Multirentenprodukt und mit diesem Produkt konnten man eben vier Leistungsfälle absichern, nämlich

00:04:01: Umfall, Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit bestimmte Organe, also die sogenannten Organschäden,

00:04:09: dann den Verlust einige definierten Grundfähigkeiten und Pflegebedürftigkeit nach den Regelungen

00:04:17: des Sozialgesetzbuches. Solche Produkte, das ist jetzt kein exotisches Produkt sozusagen,

00:04:25: solche Produkte kennen wir schon von einigen Anbietern. So, im Jahr 2018 versendete dann die AXA

00:04:33: an tausenden von Kunden, also im BGH-Urteil spricht man von mehr als 17.000 Verträgen, hat also die

00:04:42: AXA an tausenden von Kunden Änderungskündigungen herausgeschickt. Änderungskündigung bedeutet

00:04:48: in diesem Zusammenhang, lieber Kunde, du hast die Möglichkeit, das bestehende Vertragsverhältnis

00:04:54: in ein anderes Produkt umzuwandeln und für den Fall, dass du dieses Angebot nicht annimmst, hat ja die

00:05:01: AXA dann angekündigt, das Vertragsverhältnis zur nächsten Hauptfälligkeit zu kündigen. Dann,

00:05:08: ein paar Monate später, im Jahr 2019, hat ja die AXA nochmal freundlicherweise ein neuen Brief

00:05:14: geschickt an dieselben Kunden und wie es erneut auf die Möglichkeit des Wechselstarauffin, die im

00:05:20: Übrigen im Rahmen dieser Umstellungsaktion ohne erneute Gesundheitsprüfung erfolgen sollte,

00:05:26: aber eben mit einer Erhöhung der Beiträge verbunden war. Das hat damals die Verbraucherzentrale

00:05:33: Hamburg zu Anlass genommen und letztendlich geklagt. Nach Ansicht der Verbraucherschützer

00:05:40: benachteiligten diese Kündigungen die Versicherungsnehmer unangemessen. Das ist jetzt die kurze

00:05:46: Version, also man kann ja dieses Urteil schon finden und den genauen Verlauf geschildert

00:05:54: bekommen. Das Landgericht hat die Klage der Verbraucherzentrale abgeladen,

00:05:59: daraufhin landete die Sache beim Oberlandesgericht und das Oberlandesgericht hat die AXA verurteilt.

00:06:06: Die entsprechenden Klauseln sollen eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers darstellen.

00:06:15: Sie sollen unwirksam sein, weil sie zum Nachteil der Versicherungsnehmer vom wesentlichen Grundgedanken

00:06:22: eine gesetzliche Regelung abweichen.

00:06:25: Gemeint ist die Regelung für diejenigen, die dann gerne irgendwas nachschalen wollen,

00:06:31: die Regelung im Paragraf 177 des Versicherungsvertragsgesetz.

00:06:36: Diese Gedanke, dass für die Lebensversicherung und die Berufsunfähigkeitsversicherung ein ordentliches kündigungsrecht des Versicherers ausschliesst,

00:06:46: diese Gedanke sei auch auf diese Verträge anzuwenden, das hat ja das Oberlandesgericht befunden.

00:06:55: Die Richter sagten darüber hinaus, dass eine vergleichbare Interessenlage wie bei der BU vorlag,

00:07:02: nämlich weil diese vier Leistungsfehle in ihrer konkreten Ausgestaltung Risiken, Analog, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit sehr weitgehend abdecken würden.

00:07:15: Also, sagten die Richter, kein ordentliches kündigungsrecht des Versicherers möglich.

00:07:21: Der Versicherer, also die Kollegen von der AXA, gingen dann in Revision, also die Sache landete erwartungsgemäß beim vierten Senat des BGH.

00:07:31: Ja, spannend. Und was hat der BGH nun entschieden?

00:07:35: Wie gesagt, das Urteil ist ja sehr, sehr spannend.

00:07:38: Er streckt sich auf 33 Seiten.

00:07:41: Dann können ja die Leute gerne des Downloaden.

00:07:45: Ich versuche mich mal kurz zu fassen.

00:07:47: Der BGH hat der AXA recht gegeben.

00:07:50: Die Kündigungen, so die Richter im vierten Senat, die stellten keine unangemessene Benachteiligung der Versicherungsnehmer dar und die Waren dementsprechend wirksam.

00:08:01: Das Produkt, und das ist jetzt mal der essentielle Punkt, das Produkt, worum es hier ging, ist nicht mit einer BU,

00:08:10: ist nicht mit einer Erwerbs- und Fähigkeitsversicherung vergleichbar.

00:08:13: Ja, und was hat das jetzt mit der Grundfähigkeitsversicherung zu tun?

00:08:17: Nun, jetzt roll ich ein bisschen zurück.

00:08:20: In der Berufs- und Fähigkeitsversicherung hatte Versicherer kein Recht zur ordentlichen Kündigung.

00:08:26: Also, der Versicherer kann nicht einfach so während der Vertragslaufzeit sagen,

00:08:30: Mensch, die Verträge sind jetzt für mich nicht rentabel, ich kündige die BU-Verträge.

00:08:34: Das geht nicht.

00:08:36: Diese gesetzliche Regelung zu BU kann auch bei Verträgen angewendet werden,

00:08:42: bei denen der Versicherer für eine dauerhafte Beeinträchtigung, Achtung, der Arbeitsfähigkeit eine Leistung verspricht.

00:08:51: Dafür muss aber die Arbeits- oder die Erwerbsunfähigkeit des Kunden den Versicherungsfall unmittelbar auslösen.

00:09:01: Und das ist eben, so die Richter des BGH, auf die Grundfähigkeitenversicherung,

00:09:07: auf die Dread-Disease-Versicherung und auf die ganzen genannten Kombiprodukte nicht anwendbar.

00:09:14: Das ist eine klare Botschaft. Man kann die Grundfähigkeitsversicherung nicht als Arbeitskraftversicherung bewerben.

00:09:21: Das klingt jetzt vielleicht noch Wortklarerei, ist es aber nicht.

00:09:24: Kein Eswächs.

00:09:26: Wenn eine Grundfähigkeit verloren geht oder in der Dread-Disease-Versicherung eine schwere Erkrankung eintritt,

00:09:32: kann das natürlich die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen und somit eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Versicherten auslösen.

00:09:41: Aber eben nur kann.

00:09:43: Es ist durchaus möglich, dass der Versicherte zwar eine versicherte Grundfähigkeit verloren hat, aber immer noch arbeitsfähig ist.

00:09:52: Deswegen fällt die Grundfähigkeitenversicherung und auch die anderen genannten Produktarten, also Dread-Disease, Multi-Renten,

00:10:00: nicht unter diese Schutzregelung, die für die Berufsunfähigkeit und die Erwerbsunfähigkeitsversicherung gilt.

00:10:06: Weil bei diesen Produkten, Grundfähigkeiten und Co., es ist nicht die Arbeitskraft versichert,

00:10:13: sondern konkret definierte körperliche oder geistige Fähigkeiten.

00:10:17: Genau, ich betone nämlich auch immer wieder, dass die Grundfähigkeitsversicherung keine BU leid ist, da sie halt eben noch einen völlig anderen Prinzip funktioniert.

00:10:26: Und damit liegst du vollkommen richtig.

00:10:29: Für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer, wir haben in diesem Podcast das Thema Grundfähigkeit schon besprochen.

00:10:35: Das ist die Folge 9.

00:10:37: Wir wollen gerne nochmal reinhören.

00:10:40: Arbeitskraftabsicherung bedeutet, der Kunde verliert seine Arbeitskraft in Folge Krankheit oder Umfalls.

00:10:47: Und das löst die Leistung aus der abgeschlossenen Versicherung aus.

00:10:52: Wenn das nicht der Fall ist, lieber Kolleginnen und Kollegen, handelt es sich nicht um eine Arbeitskraftabsicherung.

00:10:58: Punkt.

00:10:59: Diesen essentiellen Unterschied sollten Vermittlerinnen und Vermittler deutlich kommunizieren und dokumentieren.

00:11:07: Das Thema ist nämlich nicht trivial und kann unter Umständen die Vermittlerinnen und Vermittler auch angreifbar machen.

00:11:14: Ja, Spahn, vielleicht sollten wir das Thema doch noch mal in einer weiteren Folge vertiefen.

00:11:19: Was meinst du?

00:11:20: Das denke ich auch.

00:11:22: Dann können wir auch was zum Thema Beratungsfälle in diesem Kontext sagen und wie man sie auch vermeiden kann.

00:11:27: Ja, perfekt.

00:11:28: Dann machen wir das doch so.

00:11:30: Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, das war die 33. Folge Biometri Togo.

00:11:35: Wenn ihr unseren Podcast gut findet, empfiehlt uns gerne an Kolleginnen und Kollegen weiter,

00:11:40: gibt uns auch gerne euer Feedback und sendet uns eure Fragen.

00:11:43: Zum Abschied von mir wieder, ein liebes Danke fürs Zuhören und ciao, bis zum nächsten Mal.

00:11:49: Danke fürs Zuhören, einfach dranbleiben.

00:11:51: Bis bald.

00:11:52: [Musik]

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